(Es gilt das gesprochene Wort)

 

Ich bin hier heute angeklagt, weil ich meinem Gewissen gehorchend den Kriegsdienst mit der Waffe verweigerte und auch nicht bereit war und bin, einen Kriegsdienst ohne Waffe zu leisten - weil ich, kurz gesagt, meiner angeblichen Pflicht zur Wehrhaftigkeit nicht nachkam.

Nun hätte ich mich auf diesen Prozeß nicht sonderlich intensiv vorbereiten müssen um die Gründe für mein Handeln darzulegen. In den vergangenen Jahren und Wochen habe ich diese Gründe hunderte mal den verschiedensten Menschen dargelegt. Es wäre auch hier keine Schwierigkeit gewesen eine Erklärung ad hoc  abzugeben.

Doch heute wird hier gegen mich verhandelt, weil meine Gewissensentscheidung und die sich daraus ergebenden Handlungen angeblich nicht konform mit den Gesetz gingen und ich objektiv gegen das Wehrstrafgesetz verstieß. Ich bin hier heute angeklagt.

Es gilt hier also heute zu klären, welche Werte von größerer Bedeutung sind, die Durchsetzung der Wehrdisziplin und die Aufrechterhaltung der Wehrhaftigkeit der Bundesrepublik oder meine Gewissensentscheidung gegen jede Beteiligung am Krieg, an der Kriegsvorbereitung und an der Einplanung für den Kriegsfall. Gilt es, eine Zwangspflicht durchzusetzen oder Werte wie die Freiheit des Gewissens, Solidarität, Menschlichkeit zu schützen.

Da ich hier angeklagt wurde, werde ich mich auch verteidigen. Ich werde dazu im Folgenden meine Entwicklung zum Pazifisten schildern und kurz erläutern, warum es mir unmöglich ist, den Kriegsdienst mit der Waffe bei der Bundeswehr oder einer anderen Armee zu leisten und warum ich auch keinen Ersatzdienst leisten kann. Ich werde Ihnen den Zusammenhang von Kriegsdienst mit und ohne Waffe darstellen, und ich werde erklären was es für mich bedeutet Kriegsdiensttotalverweigerer zu sein.

Einschränkend möchte ich sagen, daß meine Ausführungen nicht den Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Sie drücken vor allem die wichtigsten mich beschäftigenden Fragen aus.

Um die Frage nach dem "Warum?" beantworten und die Entwicklung meiner Gewissensentscheidung darstellen zu können, muß ich etwas weiter ausholen und einige Episoden meines Lebens erzählen.

Ich komme aus einem relativ kleinen Ort im Nordwesten Mecklenburgs. In dem etwa 25 Kilometer östlich von Lübeck gelegenem Ostseebad Boltenhagen verbrachte ich eine glückliche und abwechslungsreiche Kindheit. Durch die geographische Lage dicht an der Blockgrenze, gehörten in Boltenhagen Armeeangehörige zum öffentlichen Bild. Ich wurde also schon sehr früh mit der Armee konfrontiert. In der Schule nahm ich, wie die restliche Klasse auch, ohne Widerspruch an der vormilitärischen Ausbildung teil. Es war zwar eine Tortour, doch stark genug einen anderen Weg zu gehen war keineR. Und so nahmen wir alle an den Wehrkundeunterrichtsstunden und den Wehrlagern teil und erlernten Grundkenntnisse zur militärischen Verteidigung der “Heimat“.

In einem der mehrwöchigen GST-Wehrlagern, im ersten Ausbildungsjahr, ich war noch jung und gerade 17 geworden, erklärte ich gegenüber einem meiner Dienstvorgesetzten, daß ich, um die “sozialistische Heimat“ zu verteidigen, bereit bin, mich als Soldat auf Zeit für 3 Jahre zu verpflichten. Die NVA-Werber, die, genauso wie heute die Bundeswehrjugendoffiziere, in den Schulen mehrfach auftauchten, hatten also Erfolg gehabt. Mein Vater erklärte mich für verrückt.

Da ich nicht gleich nach dem Abschluß meiner Ausbildung eingezogen wurde, nahm ich die Gelegenheit wahr, und zog, um mich in meinem damaligem Beruf weiterzuentwickeln, 1988 nach Leipzig.

 

Als 1989 in eben dieser Stadt das Ende der DDR eingeläutet wurde, traf ich auch mit verschiedenen Menschen zusammen die mich prägten und stark beeinflußten. Gewaltfrei hatten es die Menschen geschafft auf sich und ihre Situation aufmerksam zu machen und im folgenden eine Regierung zu stürzen ein marodes System zu beseitigen. Viele Menschen liefen jetzt nicht mehr einfach so vor sich hin oder verzogen sich in Ihre Nischen - sie formulierten ihre Vorstellungen und Träume offen und artikulierten sie in der Öffentlichkeit.

Als im Frühjahr 1990 viele DDR-Bürger in die Bundesrepublik auswanderten und die Zeitungen und Fernsehberichte in beiden Ländern ständig von zurückgelassenen Kindern berichteten, entschloß ich mich, meinen damaligen Beruf aufzugeben und eine Ausbildung zum Erzieher zu beginnen. Kindern, den Schwächsten der Gesellschaft, wollte ich Partner sein zu können. Zeitgleich ereilte mich eine Einladung ins Wehrkreiskommando.

 

Ich war für die Einberufung vorgesehen.

Ich sollte jetzt zur NVA, wo abzusehen war, daß sie recht bald Bundeswehr werden wird - Ich hatte ja nichts dagegen, die DDR in der Nationalen Volksarmee zu verteidigen, doch in die Bundeswehr? Das war für mich unmöglich! Das ist doch der Feind gewesen? Das wäre Verrat?!

Im Gegensatz zu langgedienten NVA-Offizieren, übrigens auch die, die mich in der Kaserne Stallberg Disziplinieren wollten, die nach Honecker und Eppelmann später dann auch noch auf das Grundgesetz schwören konnten, war das für mich unmöglich!

Doch warum können langjährige Soldaten einer Armee, einfach so in die sogenannte feindliche Armee überwechseln? Warum gehen die Einen darüber und warum werden sie von den Anderen aufgenommen? Gibt es zwischen den Armeen womöglich gar keine Unterschiede? Sind beide Armeen nun sinnvoll und gut oder sind sie beide schlecht und unnütz?

Das waren Fragen die in der damaligen ereignisreichen Zeit für mich zur Klärung anstanden.

Klar wurde sehr schnell, daß ich keinen Armeedienst leisten werde. Meine politischen Ansichten standen dem im Wege. Also stellte ich einen Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer. Parallel dazu informierte ich mich über Gesetzlichkeiten, Inhalt und Möglichkeiten der dann folgenden Ersatzdienste.

Dabei stieß ich auf verschiedene Kriegsdienstverweigererberatungs- und Friedensorganisationen. Eine war die DFG-VK - die Deutsche Friedensgesellschaft-Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen. Friedensnobelpreisträger und andere namhafte Persönlichkeiten vereint sie in sich. Bertha von Suttner, Kurt Tucholsky, Dr. Martin Niemöller, Carl von Ossietzky, Albert Einstein. Diese Organisation konnte damals auf eine fast 100-jährige Geschichte Wirken gegen Krieg und Gewalt, Militarismus und Militärverherrlichung verweisen.

Konsequent gegen jede Art von Krieg zu arbeiten war etwas neues für mich!

Wie sieht das denn mit den Kriegen für die Freiheit aus? Es gab da doch bestimmt auch Kriege die notwendig sind? - Aber - notwendige Kriege? Wie kann denn etwas notwendig sein, wenn es Tod, Zerstörung, Elend, Hunger, Umweltkatastrophen, Flucht und Verfolgung hervorbringt oder zumindestens billigend in Kauf nimmt? - Wie kann denn so etwas notwendig sein? Welches Ziel rechtfertigt solche Folgen?

Es gibt für den Einzelnen/die Einzelne doch kein wichtigeres Ziel als das Leben zu behalten - Und da nur ich über mein Leben entscheiden möchte, muß ich, wenn ich den oder die mir Gegenüber als gleichwertig betrachte, auch allein über sein/ihr Leben entscheiden lassen. Dieses wird in einem Krieg, egal für welches Ziel, aber nicht gewährleistet.

Nicht das einzelne Individuum, das einzelne Leben, das einzelne Schicksal ist dann von Interesse wenn die Waffen eingesetzt werden. Krieg kann also nicht im Interesse des/der Einzelnen sein. Kann das einzelne Individuum denn überhaupt beurteilen, wofür es in einem Krieg kämpft, wofür dieser Krieg "gut" ist? Oder ist es bloß Subjekt und Manövriermasse?

Viele Fragen die sich mir da auftaten und für die ich eine Antwort finden mußte. Je mehr ich mich damit beschäftigte, je mehr Fragen wurden es, ohne - daß es DIE Lösung für die bisherigen Fragen gab. Manchmal helfen ja Nachschlagewerke in solchen Situationen. Ich schlug also unter anderem bei Freunden in der Enzeklopedy "Der große Koron" nach:

"Vor allem beim regulären Krieg zwischen Völkerrechtssubjekten fällt die Entscheidung über einen möglichen Kriegseintritt ohne die betroffene Bevölkerung, die mittels Propaganda von der Notwendigkeit des Krieges überzeugt werden soll ohne die tatsächlichen Kriegsursachen und Kriegsziele zu kennen.

Erst seit der französischen Revolution entstand, mit der Einführung der Wehrpflicht und der Identifizierung der Staatsnation mit der Kriegführung, der Volkskrieg, indem durch den Appell an die Gesinnung der Nation und durch die allgemeine Wehrpflicht ganze Völker mobilisiert wurden. Damit wurde der Krieg zu einem letztlich der Vernichtung dienenden Gewaltmittel, das dauerhaft nur mit den Mitteln der Politik zu beherrschen sei (Clausewitz)"

Die betroffene Bevölkerung wird also von der Notwendigkeit eines Krieges mittels Propaganda überzeugt !?!

Wie dem auch sei: Für mich sind Kriege immer Unsinnig und bringen immer Elend. Sie dürfen niemals stattfinden. Ich muß für mich jetzt nur noch einen Weg finden, wie das zu bewerkstelligen ist und was ich dafür tun kann!

Es kann aber gar keine gerechten Kriege geben! Ich unterzeichnete also die Grundsatzerklärung der War Resist International - der Internationalen der KriegsdienstgegnerInnen:

Krieg ist ein Verbrechen an der Menschheit. Ich bin daher entschlossen, keine Art von Krieg zu unterstützen und an der Beseitigung aller Kriegsursachen mitzuarbeiten.

und wurde Mitglied der DFG-VK.

Das war am 21. Juni 1991. Eine Verpflichtung, die für mich von großer Bedeutung und vor allem bindend wurde. Ich werde keine Art von Krieg unterstützen und an der Beseitigung aller Kriegsursachen mitarbeiten. Dazu muß ich natürlich erst einmal bei mir anfangen und mein Handeln entsprechen überdenken und gestalten.

Schlußfolgernd aus dieser durch mich unterzeichneten Erklärung konnte ich natürlich keinen Dienst in einer Armee leisten. Armeen werden dazu aufgestellt um durch Krieg, Angriffskrieg oder Verteidigungskrieg, die Politik mit anderen Mitteln fortzusetzen. Armeen sind also eine Vorraussetzung für Kriege.

Die Folgen von Kriegen sind allen bekannt. Deshalb müssen Kriege mit allen Mittel verhindert werden. Und jedeR muß bei sich Anfangen und seinen/ihren Beitrag dazu leisten. Mein erster Beitrag war es, den Dienst in der Armee zu verweigern und so zur Abrüstung beizutragen.

Im Weiteren bedeutete die Verpflichtung für mich aber auch, daß ich MitstreiterInnen suchte. Ich nahm Kontakt zu vielen Menschen auf, eröffnete eine Beratungsstelle für Kriegsdienstverweigerer, beteiligte mich an gewaltfreien Aktionen gegen die zunehmende Militarisierung der Gesellschaft im größer gewordenen Deutschland, veranstaltete Diskussionen und informierte mich.

Zu Beginn des Jahres 1992 war der Prozeß meiner Entscheidungsfindung weitestgehend abgeschlossen.

Ich ging eine weitere Verpflichtung ein, die mein Handeln bestimmen sollte und meine Einstellung zu Militär, Krieg und Kriegsdienst kurz und präzise zum Ausdruck bringt:

Krieg beginnt, bevor der erste Schuß fällt. Ich werde daher keine Dienste leisten, die einen Krieg ermöglichen oder der Vorbereitung eines Krieges dienen können. Dies bedeutet konkret, daß ich keinen Wehrdienst, keinen zivilen Ersatzdienst und keinen mit militärischer oder ziviler Verteidigung im Zusammenhang stehenden anderen Dienst leisten werde. ich werde jetzt und in Zukunft keiner wie auch immer begründeten Kriegsdienstpflicht folge leisten, auch wenn ich mit Strafverfolgung rechnen muß.

Mit der Unterzeichnung dieser Erklärung der Berliner Totalverweigerer manifestierte ich meine Gewissensentscheidung. Alles was danach kam, sind Ausdrücke meiner Gewissensentscheidung und meiner ständigen Bemühungen zu einem gewaltfreien Menschen zu werden.

Die Geschehnisse um meine Einberufung und dieser Prozeß sind nur Abschnitte meines Weges, auf meine Umwelt und Mitmenschen solidarisch, humanistisch und gewaltfrei zu reagieren. Dieses ist in einer Gesellschaft, in der mensch täglich der Gewalt, dem Geld und / oder der Macht ausgesetzt ist nicht gerade einfach, doch "Wir wenden uns an Eure Herzen und Eure Gewissen und wir werden Euch gewinnen" (Martin Luther King)

'Gut!' - werden Sie jetzt sagen, 'Auch wir wollen keinen Krieg. Die Bundesrepublik will keinen Krieg und das Grundgesetz der Bundesrepublik verbietet in Artikel 26 einen Angriffskrieg. Wenn wir denn doch angegriffen und zu einem Krieg gezwungen werden, müssen wir uns aber verteidigen können. Der Dienst bei der Bundeswehr ist deshalb doch notwendig und sinnvoll.'

Und das sehe ich anders. Jede Art von Krieg ist ein Verbrechen an Menschen und Natur. Es macht keinen Unterschied für die ermordeten Alten, Frauen, Kinder, Männer von wem sie getötet wurden, ob die Raketen, Bomben, Minen etc. für die angreifenden oder die verteidigenden Armeen gedacht waren. Und wer sagt mir denn, ob ich, ob “mein Land“ angegriffen wird oder gar angreift.

"Seit 5 Uhr 45 wird zurückgeschossen" war die Aussage, mit der 1939 für die deutsche Bevölkerung der Zweite Weltkrieg begann. "Es wird zurückgeschossen" - heißt also, die Anderen haben zuerst geschossen. "...Mittels Propaganda ..." wurde die "... betroffenen Bevölkerung..." von der "...Notwendigkeit des Krieges überzeugt...".

Heute wissen wir alle, daß der Überfall des Senders Gleiwitz von Deutschen verübt worden war, um den Anlaß für den Beginn des größte Völkermorden aller Zeiten zu geben. Viele Millionen Deutsche Soldaten mordeten in "ehrlicher" Absicht für das Vaterland. Erst sehr viele Millionen Ermordete später erkannten einige, einige andere haben es heute noch nicht begriffen, daß sie getäuscht worden waren. Aber was macht das schon, wenn mann sich an der Verwüstung der ganzen Welt und der Ermordung vieler Millionen Mensche beteiligt. - Es war ja für das Vaterland. - Und außerdem (!) hatten ja alle Ihre Befehle.

Doch mein Gewissen verbietet es mir, mich an Kriegen zu beteiligen. Ich muß vor mir ehrlich sein und auch wenn ich nicht religiös bin und nicht vor einen Schöpfer treten muß, bleibt der Tatbestand, vor sich ehrlich sein zu müssen, bestehen. Die Entscheidung, töten - morden zu müssen, muß jedeR selbst treffen, egal unter welchen Umständen und wer mich dabei z.B. durch Befehle zu beeinflussen versucht.

Ich selber muß diese Verantwortung mein Leben lang mit mir rumtragen - die kann ich nicht delegieren und ich kann mich nicht auf Gesetze berufen, die mich dazu angeblich gezwungen haben.

Es ist für mich also nicht nachvollziehbar, daß die Erfüllung der Wehrpflicht für mich ein Muß ist, - egal unter welchen Vorzeichen.

Mit dem Ableisten des Dienstes in einer Armee im allgemeinen und in der Bundeswehr im speziellen, würde ich eingestehen, daß es Möglichkeiten gibt, mit Armeen Konflikte zwischen Staaten und Völkern zu lösen. Doch solche “Lösungen“ unterdrücken die Konflikte immer nur - im Interesse der Stärkeren. Eine gerechte für alle annehmbare Lösung ist so nicht möglich. Es gibt immer einen Verlierer der darauf aus ist, Gewinner zu sein.

Es müssen also andere Wege gesucht werden.

Neben diesen für mich hauptsächlichen Gründen für die Verweigerung jedes Kriegsdienstes, gibt es natürlich auch Gründe genug, den Dienst in der "so demokratischen" Bundeswehr abzulehnen.

Wie jede andere Armee auch, ist die Bundeswehr nach dem Prinzip von Befehl und Gehorsam organisiert. Die Entscheidung des Einzelnen spielt nur eine untergeordnete Rolle, Individualität wird zunächst durch gleiches Aussehen später dann auch durch automatisierte gemeinsame Befehlsausführungen aufgehoben. Soldaten werden dazu ausgebildet, zu gehorchen, möglichst effektiv zu töten, zu verletzen, Gewalt auszuüben. Gelehrt und gelernt wird "... um die Grundwerte Deutschlands zu bewahren, seine Interessen durchzusetzen und der militärischen Sicherheitsvorsorge zeitgemäße Inhalte zu verleihen." (aus "Die Verteidigungspolitischen Richtlinien (VPR)" vom 26.11.1992, herausgegeben vom Ministerium für Verteidigung der Bundesrepublik)

Neben vielen anderen Verlautbarungen deutscher Militärs und Militärbefürworter lassen diese Verteidigungspolitischen Richtlinien daran Zweifeln, daß es der Bundesrepublik, in der ich ja nun mal lebe und wohne, und dem deutsche Militär um eine Kriegsverhinderung oder möglichst wenig Militäreinsätze geht. Sie lassen auch bezweifeln, daß es um den Frieden in der Welt und eine solidarische, humanistische Erde geht in der die Reichtümer gerecht unter allen geteilt werden und Armut, Hunger und Elend beseitigt sind.

Vielmehr geht es Deutschland darum, "seine legitimen nationalen Interessen" zu verfolgen. "Trotz prinzipiellen Übereinstimmungen werden sich die deutschen Interessen nicht in jedem Einzelfall mit den Interessen der Verbündeten und anderer Partner decken. Die nationale Interessenlage ist daher auch Ausgangspunkt der Sicherheitspolitik."

Nach solchen Worten in den VPR, den "...verbindlichen Grundlagen für die Arbeit in den Organisationsbereichen des Ministeriums sowie für die deutsche militärische Interessenvertretung nach außen" soll ich mir und meinem Gewissen zumuten, Dienst in dieser Armee zu leisten?

Wer bestimmt denn, was "deutsche Interessen" sind? Sind "deutsche Interessen" auch die meinen und die Interessen der Hungernden in der ganzen Welt? War es nicht auch ein deutsches Interesse, die Welt vom Judentum zu säubern und die ganze Welt zu beherrschen? Wer sagt mir denn, ob die "nationale Interessenlage" nicht nur "mittels Propaganda" entstanden ist? Und wer stellt sich für mich morgens vor den Spiegel, wenn ich mir nicht mehr ins Gesicht schauen kann, weil ich deutschen, nationalen Interessen folgte und nicht dem was mein Gewissen mir sagte?

Natürlich könnte ich auch noch Ausführungen dazu machen, welche Personen die deutschen Armeen aufbauten und wer die Ausbilder der heutigen Offiziere sind, doch ist dieses im Moment nicht ganz so von Bedeutung, denn nicht wegen dieser Nazis gehe ich nicht zur Bundeswehr, sonder weil ich aus Gewissensgründen den Dienst in jeder Armee verweigern muß. - Egal von wem sie aufgebaut ist.

Mit meinem heutigen Wissen über die Quasigesetzmäßigkeiten von Armeen, wäre es mir natürlich auch völlig unmöglich in der NVA Dienst zu leisten. Damals war ich jung, besaß dieses Wissen noch nicht und war natürlich verpflichtet meinen "Ehrendienst" zu leisten.

Doch wozu ist der Mensch denn überhaupt verpflichtet?

Ist er dazu verpflichtet, unter allen Umständen bestehende Gesetze zu befolgen? Was wäre denn passiert, wenn die deutschen Wehrpflichtigen 1939 nicht den Gesetzen gehorcht hätten, sondern dem Gebot des Nichttötens gefolgt wären? Wie wäre es denn den Mauerschützen an der deutsch-deutschen Grenze damals und heute ergangen, wenn sie nicht geltende Gesetze befolgt hätten?

Es ist doch nicht ausschlaggebend, ob jemand heute alle Gesetze befolgt, sondern ob er/sie diese Handlungen vor sich vertreten und auch in Zukunft damit leben kann. Und das ist auch das Wichtige für mich! Auch in Zukunft möchte ich zu mir ehrlich sein können und nicht jemand anderes vor dem Spiegel schicken müssen.

Nun sagt das ja aber alles noch nicht unbedingt aus, warum ich meinen Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer (KDV-Antrag) zurückzogen und den so sozialen und so zivilen Zivildienst auch nicht ableiste. Der hat doch nun wirklich nichts mit der Bundeswehr zu tun? Und ein Kriegsdienst ist das ja wohl erst recht nicht, wenn mann im Alten- oder Pflegebereich helfen soll? Oder als Fahrer in der Mobilen Altenbetreuung? In den Krankenhäusern und Pflegeheimen würde doch alles zusammenbrechen, wenn es keine Zivis mehr gebe! Das ist doch wirklich was sinnvolles!

Sie können mir glauben, daß ich mir die Fragen auch gestellt haben. Gerade auch in der Zeit, in der die Bundeswehr mich inhaftierte hatte um ".. einen geordneten und integren Dienstbetrieb aufrecht zu erhalten..." (Militärsonderrichter Zenker).

Da saß ich nun in der Zelle, etwa 2,80 mal 3 Meter groß, keine Möglichkeit nach draußen zu schauen, da Blindglas die Sicht versperrte, und nur eine Stunde am Tag zweihundert Meter Auf- und Ablaufen in Begleitung von Menschen, denen es verboten war sich mit mir zu unterhalten. Da macht mann sich schon so seine Gedanken und überlegt, ob daß alles so richtig war wie mann daß gemacht hat und ob es nicht ein wenig einfacher gegangen wäre.

'Einfach einen neuen KDV-Antrag stellen. Das wurde ja schon mehrfach von den Militärs empfohlen worden. Der geht bestimmt ohne Widerspruch durch und ich bin raus aus dem Knast. Das geht doch ganz einfach', dachte ich mir dann manchmal so. - Doch sofort kamen dann die Zweifel wieder, die gegen diese Antragstellung und gegen einen Ersatzdienst sprechen und die es mir unmöglich machten, diesen einfacheren Weg zu beschreiten. Das kann ich einfach nicht. Selbst wenn mein Verstand sagt, daß das ein bequemerer für mich einfacherer und auch billigerer Weg ist, das Gewissen, die Stimme in mir sagt: Das geht nicht! Ich kann es nicht!

Auf diese Zweifel werde ich jetzt näher eingehen und versuchen sie verständlich und nachvollziehbar zu begründen.

"Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen. Näheres regelt ein Bundesgesetz." (Artikel 4 Absatz 3 des Grundgesetzes)

Dieser Artikel ist die Grundlage dafür, daß niemand in der Bundesrepublik gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden darf. Es braucht also niemand, der Gewissensgründe geltend machen kann Kriegsdienst mit der Waffe bei der Bundeswehr leisten. Doch ... - Näheres dazu regelt ein Bundesgesetz.

Und damit ist jeder, der solche genannten Gewissensgründe geltend macht, verpflichtet, einen Ersatzdienst zu leisten - einen Kriegsdienst ohne Waffe. Diesen Kriegsdienst kann mann nicht verweigern.

Ehe es aber soweit ist, müssen verschiedene Hürden übersprungen werden. Hürden, die allein den Anforderungen der Armee angepaßt sind. Die Musterung durch Militärs, ein Anerkennungsverfahren zur Feststellung der Gewissensentscheidung in dem der Kriegsdienstverweigerer zur Ablehnung des Mörderberufes Stellung nehmen muß. Und bei jeder dieser Stationen beteiligt sich der Kriegsdienstverweigerer an der Durchführung der Wehrpflicht.

Doch selbst wenn das Gewissen geprüft wurde,- wie auch immer - und wenn der junge Mann dann staatlich geprüfter und anerkannter Kriegsdienstverweigerer ist, heißt das ja noch lange nicht, daß er auch nicht für den Krieg mit eingeplant ist.

Nach § 3 des Wehrpflichtgesetzes ist der Ersatzdienst Teil der Wehrpflicht und stellt somit deren Erfüllung dar. Die Wehrpflicht, alle ihre Erscheinungen (Meldepflicht, Erfassung, Musterung, ...) sowie alle entsprechenden Ersatzdienste sind nach dem Prinzip von Befehl und Gehorsam unter Strafandrohung organisiert und in das Konzept der "Gesamtverteidigung" eingepaßt. Dieses Konzept regelt die Zusammenarbeit der einzelnen Dienste im Kriegsfall.

Nach § 79 des Zivildienstgesetzes können Zivis im Kriegsfall dann zu unbefristeten Diensten herangezogen werden. Gleiches gilt für Frauen und alle anderen Ersatzdienstleistenden. Alle sind dann Teil der zivilen Verteidigung im militärisch ausgerichteten Konzept der Gesamtverteidigung. Sie halten den "normalen" Betrieb im Hinterland aufrecht, versorgen die Infrastruktur und leisten so unterstützende Dienste für militärische Handlungen. Dann wirken sie keineswegs als Kriegsdienstverweigerer, sondern kriegsunterstützend - und dazu werden sie heute schon verplant.

Es ist nur noch ein kleiner Schritt für den sogenannten staatlich anerkannten Kriegsdienstverweigerer von der Pflege Ältere und Bedürftiger in Friedenszeiten zur Versorgung verwundeter und Verkrüppelter Soldaten. Der Arbeitsaufwand und die Arbeitsschritte sind relativ die Gleichen. Der Unterschied zu der heutigen Arbeit der sogenannten Kriegsdienstverweigerer ist, daß für die Versorgung von Alten und Bedürftigen im Kriegsfall wohl nicht so viel Zeit sein wird, da zuerst die Soldaten (!) wieder kriegsverwendungsfähig gemacht werden müssen.

Erfahrbar wurde dieses für Zivis bereits während des Golfkrieges, als Berliner Zivildienstleistende verwundete Soldaten versorgen sollten. Auch "durften" Zivis des DRK in der Vergangenheit schon an Manövern der Bundeswehr teilnehmen.

Der so zivile Zivildienst ist also nur ein verkappter Kriegsdienst. Mit meiner Bereitschaft heute den Zivildienst zu leisten, würde ich meiner Verplanung für den Kriegsfall zustimmen. Doch Ich werde und kann keine Dienste leisten, die einen Krieg ermöglichen oder der Vorbereitung eines Krieges dienen könnten.

 

Das waren jetzt aber wieder nur die militärischen bzw. Kriegsdienstverweigerungsgründe gegen den Zivildienst.

 

Zu der Frage, wie sozial der Zivildienst ist.

Der Zivildienst ist ein reiner Arbeitsdienst der unter Strafandrohung immer wieder aufs neue eingefordert wird und schon deshalb einige Widersprüche aufwirft.

Als Ersatzdienst soll er eigentlich arbeitsmarktpolitisch neutral sein, so daß der Wegfall des Dienstes keine Lücken im Pflege- und Sozialbereich hinterlassen dürfte. Das dem nicht so ist, wissen wir hier, denke ich, alle.

Das ist, finde ich eine sehr erschreckende Einsicht. Erschreckend deshalb, weil dadurch deutlich wird, daß das Pflege- und Sozialsystem sich darauf eingestellt hat mit zumeist ungelerntem Personal seine Aufgabe zu erfüllen. In der Marktwirtschaft ist es ja auch keinem Konzern, auch keinem Wohlfahrtskonzern, zu verdenken, wenn er möglichst effektiv und kostengünstig arbeiten will.

Die Schaffung von Planstellen wird durch den Einsatz von Zivis be- bzw. verhindert. Den Nutzen daraus ziehen vor allem die großen Wohlfahrtsorganisationen DRK, AWO, Diakonie u.a., die keine ausgebildeten Fachkräfte einstellen und bezahlen (brauchen) - sie haben ja die vom Steuerzahler subventionierten Zivis. - Zivis sind Jobkiller. So ging es z.B. in Berlin (West) bis 1990 ohne Zivis. Heute sind die Sogenannten staatlich anerkannten Kriegsdienstverweigerer auch hier voll im Pflege und Sozialbereich eingeplant.