Thema: GewerkschafterInnen gegen den Irak-Krieg

Datum der Veröffentlichung: 21.01.2003 in der Tageszeitung junge welt

Autor:  Hans-Gerd Öfinger

 

 

                               Den »Tag X« verhindern        

 

 

Internationale Gewerkschaftskonferenz in Frankfurt/Main für Alternativen zu Krieg und Gewalt

 

 

 

»Die Gewerkschaften müssen sich endlich an die Spitze der Antikriegsbewegung stellen.« Mit dieser Forderung traf Frank Spieth vom DGB-Landesbezirk Hessen-Thüringen die Stimmung im Saale sehr gut. Um das Vorgehen gegen den drohenden Irak-Krieg zu beraten, waren rund 300 Gewerkschafter am Sonntag der Einladung von DGB-Landesbezirk und DGB-Region Frankfurt-Rhein-Main gefolgt.

Für Spieth geht es derzeit nicht nur darum, George Bush und die USA zu kritisieren. Das NATO-Prinzip, weltweit Angriffskriege um Rohstoffe zu führen, werde ebenso weiter fortgesetzt wie der Umbau der Bundeswehr zur Interventionsarmee unter SPD-Führung. Wenn DGB-Chef Michael Sommer die Basis mit dem Hinweis beruhige, »wir werden uns an die Spitze der Bewegung stellen, sobald es erforderlich ist«, dann werde er bald vom Papst überholt. Spieth forderte, in Rüstungsbetrieben Arbeitskreise zur Umwandlung von militärischer in zivile Produktion zu bilden.

»Ein Irak-Krieg bedroht die zivile Zukunft«, stellte Andrea Amaro von der italienischen Gewerkschaft CGIL fest. Er forderte vom Europäischen Gewerkschaftsbund (EGB) klare Schritte zum europaweiten gewerkschaftlichen Handeln und betonte, daß die CGIL massiv für den 15. Februar nach Rom mobilisieren werde.

Über Kriegsvorbereitungen in Großbritannien berichtete Regan Scott, ehemaliger Europasekretär der Transportarbeitergewerkschaft TGWU. Etliche Gewerkschaften (Bahn und Post, Journalisten, Lehrer und Kommunen) hätten sich bereits klar gegen Premierminister Tony Blair und Krieg positioniert. Scott bekräftigte das Ziel, Europa von der US-amerikanischen Vorherrschaft zu befreien.

Henning Zierock, der kürzlich mit dem Liedermacher Konstantin Wecker den Irak besucht hatte, schilderte am Beispiel des achtjährigen Schuhputzers Hassan, wie Embargo und Kriegszustand in Bagdad eine verlorene Generation hervorbrächten. Im Irak selbst sei keiner für den Krieg – nur einige irakische Oppositionelle in London seien dafür. Zierock forderte dazu auf, als Protest gegen den Krieg landesweit fünf Minuten die Arbeit ruhen zu lassen.

»Wer Kriege nach außen führt, der führt auch einen sozialen Krieg nach innen«, so Frank Deppe, Professor an der Universität Marburg. Nach der Besetzung des Irak drohe nach seiner Ansicht dann ein Waffengang gegen den Iran.

Um die praktische Handlungsschritte vor Ort ging es im anschließenden Hearing. Peter Strutynski vom Bundesausschuß Friedensratschlag kritisierte die Fixierung auf den »Tag X«: »Die Bevölkerung erwartet von uns, daß dieser Krieg verhindert wird.«

Sabine Leidig, ATTAC-Geschäftsführerin, forderte dazu auf, vor Ort und speziell in Betrieben Farbe zu bekennen. Sie bemängelte, daß Basiskontakte zu Gewerkschaftern in anderen Ländern, die gerade auch in der Antikriegsarbeit wichtig seien, von den meisten Gewerkschaftsapparaten nicht unterstützt würden.

»Ohne Medien wären Kriege nicht führbar«, so der Journalist Eckart Spoo von der Redaktion Ossietzky. Er regte ein engagiertes Auftreten von Gewerkschaftern gegenüber lokalen Medien und Abgeordneten an. Alle möglichen Foren müßten für die Aufklärung genutzt werden. In einem schriftlichen Grußwort an die Konferenz hatte der Vorsitzende der hessischen SPD, Bökel, festgestellt, er wolle weder deutsche noch französische, englische oder amerikanische Soldaten im Irak. »Wir werden ihn nach dem Wahltag am 2.Februar daran erinnern«, sagte Spoo.

»Das Thema Frieden gehört in die Schulen«, betonte der hessische GEW-Landesvorsitzende Jochen Nagel. Es sei Aufgabe der Lehrerinnen und Lehrer, gemeinsam mit den Schülervertretungen der Kriegspropaganda entgegenzuwirken.

Horst Schmitthenner vom Vorstand der IG Metall kritisierte, daß nicht alle Einzelgewerkschaften eindeutig gegen den Krieg Stellung nähmen. Gründe hierfür sieht er u.a. in der bisherigen Schwäche der Friedensbewegung und dem Verhältnis zwischen SPD-geführter Bundesregierung und Gewerkschaftsapparat sowie in der Tatsache, daß auch Gewerkschafter von Medien beeinflußt werden. Allerdings betonte er: »In der IG Metall tut sich was.«

In einer Erklärung forderte die Konferenz einen konsequenten Antikriegskurs der Bundesregierung. Die Gewerkschaften sollten sich an örtlichen Aktionen der Friedensbewegung beteiligen, wie an den Demonstrationen in München am 8.2., in Berlin am 15.2. und – wenn er eintreten sollte – am »Tag X«.